Hintergrundinfos: Dossier "Eine Zugfahrt, die ist lustig …"

Kürzlich bestätigte das Statistische Bundesamt "Fahrgastrekorde im Nah- und Fern­verkehr mit Bussen und Bahnen" für das Jahr 2016. Laut einer Pressemitteilung stieg die Nutzung der entsprechenden Verkehrsmittel im Vergleich zum Vorjahr um 1,5%.(1)

Diese Nachricht klingt zunächst erfreulich – insbesondere im Hinblick auf den Umweltschutz. Leider erlaubt sie jedoch keine Aussage über den allgemeinen Trend im Stadt- und Fernverkehr. Hier dominieren nämlich die Klimasünder unter den Verkehrsmitteln: die Zahl der Flugreisen erreichte 2016 einen Höchstwert und folgt somit weiterhin ihrem massiven Wachstumskurs.(2) Auch der Stellenwert des Autos bleibt unangefochten: 2015 betrug der Anteil von Kraftfahrzeugen am gesamten Personenverkehrsaufwand rund 76%.(3)

Die steigenden Fahrgastzahlen im Bus- und Bahnverkehr lassen sich dadurch erklären, dass der Personenverkehrsaufwand insgesamt wächst; sprich, es nehmen immer mehr Menschen öfter am Verkehr teil. Betrachtet man hingegen den Modal Split (die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel) wird ersichtlich, dass die Anteile des Öffentlichen Straßenpersonenverkehrs im Gesamtverhältnis leicht sinken(3) – prozentual gesehen nutzen also weniger Personen den ÖPNV.

 

Trotz umfangreicher Kampagnen: dürftiges Image des ÖPNV

Worin sind die Gründe dafür zu suchen? Prinzipiell sprechen schließlich viele Faktoren für die Nutzung des Bus- und Bahnverkehrs: die Mitfahrt ist nervenschonender und weniger anstrengend als das Fahren mit dem eigenen Auto, insbesondere im Berufsverkehr. Darüber hinaus spart man sich die Parkplatzsuche und kann die Fahrtzeit in öffentlichen Verkehrsmitteln produktiv nutzen – sei es zum Arbeiten, Lesen oder schlichtweg zum Entspannen. Bei einer intensiveren Nutzung des ÖPNV verringert sich zudem der innerstädtische Kfz-Verkehr, was nicht nur die Umwelt entlastet, sondern möglicherweise sogar einen Rückgang von Verkehrsunfällen zur Folge haben könnte. Nicht zuletzt stellen öffentliche Verkehrsmittel auch eine sinnvolle Ergänzung zum Fahrrad dar; etwa für ältere Menschen oder als Ausweichmöglichkeit bei schlechtem Wetter.

Doch trotz zahlreicher Kampagnen von Seiten der Verkehrsbetriebe und der Stadt, in denen diese Vorteile beworben werden, ist nicht von der Hand zu weisen, dass der ÖPNV auch viele Schwachstellen aufweist.

Der ADAC veröffentlichte im Februar eine Umfrage, in der die Hindernisse für einen Umstieg auf öffentliche Nahverkehrsmittel untersucht wurden. Befragt wurden Teilnehmer, die den ÖPNV nach eigenen Angaben selten oder gar nicht nutzen.(4) Als nötige Voraussetzungen für einen Umstieg wurden dabei vor allem günstigere Preise, eine bessere Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie ein breiteres Ticketsortiment für individuelle Bedürfnisse genannt. Auch der Wunsch nach vereinfachten, häufigeren Verbindungen sowie einem verbesserten Informationssystem kam vielfach zum Ausdruck.(5)

Die Forderung nach niedrigeren Preisen und die damit verbundene Finanzierung des ÖPNV sind nicht nur deutschlandweit ein seit Jahren heiß diskutiertes Thema.(6) Auch in anderen Ländern teilen Bürger wie einige Politiker gleichermaßen den Wunsch nach einem günstigeren oder gar unentgeltlichen Tarifsystem für innerstädtische Busse und Bahnen. Städte wie Tallinn oder Hasselt hatten gar den kostenlosen ÖPNV eingeführt – doch auch diese Systemen beinhalten gewisse Einschränkungen bzw. konnten in ihrer ursprünglich angedachten Form nicht dauerhaft bestehen.(7)

Die Subventionierung von Bus- und Bahnverkehr wird daher vermutlich noch für längere Zeit eine Streitfrage bleiben; das Erproben neuer Modelle ist dabei jedoch begrüßenswert.

 

Verbesserungspotenzial im regionalen Service

Anders verhält es sich mit Themen wie der Optimierung von Informationssystemen oder einem verbesserten Kundenservice. Diese Faktoren sind von den lokalen Verkehrsbetrieben individuell steuerbar – und weisen überregional große Unterschiede auf.

So wurden in Köln beispielsweise erst 2016 Ticketautomaten in Betrieb genommen, an denen Kunden mit EC-Karte zahlen können. Nach einer Testphase mit 38 Automaten verläuft nun schrittweise der Austausch weiterer Automaten. Das Zahlen mit Geldscheinen wird auch an den neuen Geräten weiterhin nicht möglich sein.(8)

Darüber hinaus haben Städte wie Amsterdam oder London bereits vor Jahren erfolgreich papierlose Fahrkartensysteme eingeführt. Beim Touching-in-and-out-Prinzip wird eine zuvor mit Guthaben aufgeladene, elektronische Fahrkarte jeweils zum Anfang und Ende einer Fahrt an ein entsprechendes Lesegerät gehalten. So kann der Preis für die jeweilige Strecke nicht nur exakt nach Haltestellen abgebucht werden, sondern man umgeht als Fahrgast auch das Anstehen am Ticketautomaten. Zugleich wird die Suche nach der richtigen Fahrkarte vereinfacht und – dank der wiederaufladbaren Tickets – Papier eingespart.

Das Touching-in-and-out-System ist ein Beispiel dafür, wie zeitliche Abläufe vereinfacht und Hürden im Informationssystem überwunden werden können. Doch welche weiteren Anliegen habt ihr? Wie sehen eure persönlichen Verbesserungswünsche im Hinblick auf den ÖPNV aus? Teilt eure Meinung zu den folgenden Fragestellungen mit uns …

 

  • Gibt es nachhaltige Alternativen zum ÖPNV? Gibt es umweltfreundliche Ausweichmöglichkeiten für Kölner, denen die Fahrpreise zu teuer sind, und die dennoch nicht mit dem Auto/Rad fahren möchten oder können? 
  • Einen Tag lang kostenlos ÖPNV fahren – tolle Aktion oder unnötige Einnahmeverluste?
  • Welche Lösungsvorschläge habt ihr, um den Transport von Fahrrädern im ÖPNV möglichst fahrgastfreundlich zu gestalten? 
  • Bahntüren aufhalten, wenn Nachzügler auf die Haltestelle zu rennen – freundliche Geste oder Verzögerung des Fahrplans?
  • Thema "Tarifzonen": Stellt die Auseinandersetzung mit den Tarifgrenzen für euch eine Hürde bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel dar (insbesondere auf längeren Strecken)? Oder sind die Ursachen an anderen Stellen zu suchen?
  • Wäre ein Touching-in-and-out-System per E-Ticket eine Erleichterung im deutschen ÖPNV? Oder würde es nur unnötige Erneuerungen und Umbaumaßnahmen bedeuten?
  • Infoscreens an Haltestellen – Komfort während der Wartezeit oder unnötige Stromverschwendung?

 

Bitte beachtet: Diese Diskussion ist nicht dazu gedacht, einen Schlagabtausch zwischen verschiedenen Interessengruppen anzuheizen. Vielmehr suchen wir nach möglichst vielen unterschiedlichen Standpunkten, konstruktiven Auseinandersetzungen und nach neuen Vorschlägen! Jeder Einzelne von uns, der am Straßenverkehr teilnimmt, nimmt Einfluss auf unsere Mobilitätskultur – und so können wir alle einen Teil zu gegenseitiger Rücksichtnahme und offener Mitgestaltung leisten. Wir freuen uns auf eure Anregungen!

 

Schau doch auch mal hier … 

Kurzfilme mit Impulsen zum Thema "Moving Beyond the Automobile" auf streetfilms.org

Qualitätsbericht des Schienenpersonennahverkehrs NRW (2015)

Informationen zum System der elektronischen "Oyster Card" in London


(1) Pressemitteilung "Jahr 2016: Fahrgastrekorde im Nah- und Fern­verkehr mit Bussen und Bahnen", Statistisches Bundesamt, 10.04.2017

(2) Pressemitteilung "Öffentlicher Personenverkehr 2016: Neuer Höchst­stand bei Fahr- und Fluggästen", Statistisches Bundesamt, 21.02.2017

(3) "Fahrleistungen, Verkehrsaufwand und Modal Split" inklusive Abb. "Modal Split im Personenverkehr einschließlich des nicht motorisierten Verkehrs", Umweltbundesamt, 06.04.2017

(4) ADAC-Umfrage 2017: Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel

(5) Ergebnisgrafik "Voraussetzungen für den Umstieg auf den ÖPNV", ADAC, 2017

(6) Artikel "Bus und Bahn im Finanzdschungel", VCD

(7) Artikel "UNENTGELTLICHE NUTZUNG DES NAHVERKEHRS IN TALLINN AB 2013 – EIN MODELL FÜR ANDERE STÄDTE?", Martin Randelhoff für ZUKUNFT MOBILITÄT, 17.04.2013

(8) Übersicht zu den neuen Ticketautomaten auf der Homepage der KVB


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