Die drittgrößte Nation

»Wäre die Lebensmittelverschwendung ein Land, so wäre es die Nation mit den dritthöchsten CO2-Emissionen in der gesamten Welt.«

Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen im Jahr 2013, laut der sich der ökologische Fußabdruck durch ungenutzte Lebensmittel auf insgesamt rund 4,4 Gigatonnen CO2 pro Jahr beläuft.(1) Die Frage liegt nahe, anhand welcher Faktoren Untersuchungen zu einer derart hohen Zahl gelangen. Und mal ehrlich: Wie sehr fällt es dabei ins Gewicht, wenn ich mal ein trockenes Brötchen in den Müll werfe?

Die Studie zur Ermittlung der CO2-Emissionen setzt bereits an, lange bevor ein Produkt in unserem Einkaufskorb (oder Mülleimer) landet, nämlich bei der Produktion. Schon der CO2-Ausstoß durch notwendige Prozesse im Anbau- und Herstellungsverfahren wird für die finale Klimabilanz eines Lebensmittels berücksichtigt. Im Rahmen der Erzeugung sind gewisse Mengen an Nahrungsabfällen schlichtweg unvermeidbar; sei es durch Verluste bei der Ernte oder durch Beschädigung beim Lagern, Verpacken und Weiterverarbeiten.(2)

Doch bereits hier treten auch unnötige Verluste auf – etwa durch das Aussortieren von Obst und Gemüse, welches nicht den vorgegebenen Normen zu Größe und Gewicht entspricht(2) oder durch Überproduktion. Selbstverständlich müssen Schwankungen in der Nachfrage stets einkalkuliert werden, doch eine erhöhte Sorgfalt bei der Planung kann unnötige Abfallmengen maßgeblich reduzieren.(3) Dies gilt ebenso für eine Optimierung der Lagerungsbedingungen.(2)

All die im Herstellungsprozess entstandenen Lebensmittelabfälle haben bereits durch Treibhausbeheizung und Arbeitsmaschinen einen CO2-Ausstoß verursacht ohne jemals unsere Supermärkte erreicht zu haben.

Auch der Weg zum Händler ist mit Emissionen durch den Transport verbunden, und hierbei fällt besonders ins Gewicht, woher wir unsere Nahrungsmittel beziehen. Jahreszeit, Herkunftsland sowie das verwendete Transportmittel spielen dabei eine Rolle: Eventuell hat der Apfel im Supermarkt bereits eine weitere Flugreise hinter sich, als wir sie in unserem Leben je selber hatten. Eventuell stammt er aber auch aus unserer Region – und hat eine lange Lagerzeit in einem Kühlhaus hinter sich.

In den Geschäften sorgt die Kühlung der Lebensmittel für weitere CO2-Emissionen. Selbstverständlich fällt auch hier, genauso wie im Produktionsprozess, Ausschuss durch falsche Lagerung, ein beinahe erreichtes Haltbarkeitsdatum oder beschädigte, nicht mehr ästhetisch aussehende Ware an. Wir kennen es vermutlich alle: die eingebeulte Milchtüte oder den Salatkopf mit dem welken Blatt lassen wir lieber liegen – und sorgen damit dafür, dass diese Produkte nach Ladenschluss der Tonne zum Opfer fallen. Die FAO schätzt, dass etwa ein Drittel der jährlich produzierten Lebensmittel weltweit niemals den Esstisch eines Verbrauchers erreicht.(1)

In der eigenen Küche tragen hingegen hauptsächlich unser zu wenig strukturiertes Einkaufs- und Vorratsverhalten zum Wegwerfen von Nahrungsmitteln bei, sowie schlicht und ergreifend das Gefühl, auf eine bestimmte Speise »keine Lust mehr zu haben«. Nicht zuletzt wäre da auch noch die oftmals auftretende Verwirrung durch das Mindesthaltbarkeitsdatum.(3) Wer von uns hat nicht schonmal kritisch den Joghurt beäugt und daran geschnuppert – um schließlich zu entscheiden, doch lieber den Angaben der Industrie zu trauen anstatt den eigenen Sinnen?

Außerdem kennen wir vermutlich alle das Problem der »kritischen Menge«, die vom Abendessen übrig bleibt: zu viel, um sie noch zu essen; zu wenig, um sie für den nächsten Tag aufzuheben. So wandern kleine, aber regelmäßig auftretende Mengen zubereiteter Speisen in den Müll – nachdem sie durch den vorangegangenen Kochprozess ihren letzten Teil zur CO2-Bilanz der Nahrungsportion beigetragen haben.

Um nochmal zu dem Brötchen vom Anfang des Artikels zurückzukehren: Natürlich lassen sich selbst bei einem achtsamen Konsumverhalten Lebensmittelabfälle niemals komplett vermeiden. Wie bei allem gilt auch hier: die Menge macht’s. Beispielsweise die Menge des am nächsten Tag zubereiteten Essens, wenn ich die Reste der gestrigen Mahlzeit doch noch dazugebe. Oder auch die Menge der Artikel, die bei meinem Einkauf im Wagen landet. Im Durchschnitt werfen wir jedes achte Lebensmittel, das wir kaufen, weg(4) – machen wir doch einfach mal einen Anfang und packen nächstes Mal ein Brötchen weniger ein!

 

Schau doch auch mal hier ...

»Zu gut für die Tonne« - Bundeskampagne gegen Lebensmittelverschwendung

Fakten zu Lebensmittelverschwendung – Artikel der Initiative MUTTER ERDE

Tipps zur richtigen Lebensmittellagerung (Utopia.de)

Tipps zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen im Alltag (tastethewaste.com)

 

(1) »Food wastage footprint«, Food and Agriculture Organization of the United Nations, 2011, S.1

(2) »PREPARATORY STUDY ON FOOD WASTE ACROSS EU 27«, European Commission DG Environment, 2010

(3) Studie zur »Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland«, Universität Stuttgart und Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2012

(4) »Wie viel werfen wir weg?"« Initiative »Zu gut für die Tonne«