Zebrastreifen – im wahrsten Sinne des Wortes

In La Paz, der Hauptstadt Boliviens, wurde 2001 offiziell der Beruf "Zebra" eingeführt: gekleidet in schwarz-weißen Ganzkörperkostümen arbeiten junge Erwachsene von Montag bis Freitag tanzend als Verkehrshelfer. Der Hintergrund des Ganzen ist weniger spaßig, als es zunächst klingen mag. Aufgrund zahlreicher schwerer Verkehrsunfälle in La Paz sah sich der ehemalige Bürgermeister dazu gezwungen, Maßnahmen für eine verbesserte Sicherheit zu ergreifen. Das Ergebnis war die Einführung des namentlich an den Zebrastreifen angelehnten "Mama Zebra Programs". Seit 2001 halten die auffällig kostümierten Mitarbeiter der Kampagne Autofahrer an, die rote Ampeln oder Zebrastreifen ignorieren; darüber hinaus helfen sie Kindern und älteren Menschen sicher über die Straße. Der Erfolg dieser Maßnahme war so groß, dass die "Zebras" mittlerweile auch Bildungsprogramme in Schulen anbieten.(1)

 

Laufen als Form von Mobilität und Klimaschutz

Das Zu-Fuß-Gehen ist unsere ursprünglichste und alltäglichste Form der Fortbewegung. Sie benötigt keine besonderen Voraussetzungen und ist absolut effektiv bei einer maximalen Klimafreundlichkeit. Im Grunde ist es daher überraschend, dass die Bedeutung des Laufens als täglicher Teil unserer Mobilität in den Hintergrund gerückt ist, wie nicht nur das Beispiel aus La Paz verdeutlicht. Vielleicht ist gerade die Selbstverständlichkeit des Gehens ursächlich dafür, dass städteplanerische Konzepte sich in den letzten Jahren vermehrt auf die Bereiche des motorisierten Verkehrs und des Radfahrens konzentriert haben.

Die Folgen des dominanten KFZ-Aufkommens – insbesondere in den Stadtzentren – sind bekannt: tägliche Verkehrsstaus mit teils hohen Unfallraten, unzureichende Parkplatzsituationen und nicht zuletzt eine immer schlechtere Luftqualität zwingen mittlerweile zahlreiche Regierungen zum Handeln.

So hat beispielsweise Madrid temporäre Fahrverbote in der Innenstadt eingeführt, um den kritisch hohen Smog-Werten entgegenzuwirken.(2) Darüber hinaus soll das Stadtzentrum bis 2020 zu einem verkehrsberuhigten Bereich werden, in dem Fußgängerzonen dominieren.(3)

Auch die amtierende Bürgermeisterin in Paris verfolgt ein ähnliches Konzept: seit 2016 ist die Champs-Elysées in Paris an jedem ersten Sonntag im Monat für Autos gesperrt; weitere verkehrsberuhigte Bereiche sowie neue Radwege sind geplant.(4) Mailand und London haben bereits vor mehreren Jahren Mautzonen in ihren Innenstädten eingeführt, und die Regierung in Oslo geht sogar so weit, Autos im Stadtzentrum bis 2019 komplett zu verbieten.(5,6)

 

Umdenken bei der Verkehrsgestaltung auch in Köln

Neben einer Verbesserung der Luftwerte und des Verkehrsaufkommens bringen solche Veränderungen vor allem einen weiteren Vorteil: eine Steigerung der Aufenthaltsqualität innerhalb des Stadtgebiets.

Dieses Argument veranlasste auch die Stadt Köln dazu, im April 2016 eine Sperrung der Zülpicher Straße einzurichten.(7) Die ursprünglich für drei Monate geplante Verkehrsberuhigung besteht dort bis heute.

Im Strategiepapier "Köln mobil 2025", welches Leitgedanken für die zukünftige Mobilität der Stadt vorstellt, ist von ähnlichen Schritten die Rede. So heißt es dort beispielsweise:

"In der Innenstadt soll ein Teil des Straßenraums wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Wo in engen Einkaufs- oder Nebenstraßen heute noch Stellplätze für Pkw einen Großteil der verfügbaren Flächen einnehmen, soll in Zukunft in Anlehnung an die gelungenen Umgestaltungen von Eigelstein und Severinstraße mehr urbanes Leben ermöglicht werden."

 

Gleichzeitig wird jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei den genannten Vorschlägen zunächst um eine Diskussionsgrundlage handelt.(8) Da bisher vier verschiedene Varianten für das "Verkehrskonzept Altstadt" diskutiert werden, dauert es vermutlich noch eine Weile, bis eine endgültige Entscheidung in die Tat umgesetzt werden kann.

 

Fußgängerfreundlichkeit im kleinen Rahmen

Es ist jedoch nicht allein eine erhöhte Sicherheit durch verkehrsberuhigte Zonen, die fußgängerfreundliche Städte schafft. Auch die infrastrukturellen Möglichkeiten für Passanten müssen so modern und umfassend sein wie die für andere Verkehrsteilnehmer. Dazu gehören etwa gut ausgebaute Fußwege mit intakten Bodenplatten und regelmäßig abgesenkten Bordsteinen. Ein weiterer, nicht unerheblicher Aspekt sind benutzerfreundliche Ampelsysteme. Unkoordinierte Schaltungen der Signale, die ein Überqueren der Straße in einem Zuge verhindern, sowie eine Druckknopfbetätigung ohne erkennbare Folgen (das Grünsignal scheint erst dann zu leuchten, wenn es im regulären Schaltungstakt ohnehin gekommen wäre) fördern das Überqueren der Straße bei Rot.(9)

Ein weiteres Sicherheitsrisiko für Fußgänger stellen schmale Gehwege dar: ist der Platz zu knapp bemessen, oder verengen parkende Autos und Fahrräder den Bürgersteig, kann ein Ausweichen auf die Straße manchmal unvermeidbar sein. Außengastronomische Einrichtungen erhöhen die Lebensqualität und laden zum Verweilen ein – die Nutzung des Gehwegs sollte dabei jedoch nicht eingeschränkt werden, und auch für Personen mit Rollstühlen, Kinderwägen oder Rollatoren sollte ein bequemes Durchkommen möglich sein.

Fußgänger sind gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer – und sollten sich auch als solche wahrgenommen und respektiert fühlen. Der Fortbewegung zu Fuß kommt eine ebenso hohe Bedeutung bei wie der mit Kraft- und nichtmotorisierten Fahrzeugen. Da die Stadt ein Ort der Begegnung, der Vielfalt und der Gesellschaft ist, sollte die entsprechende Gestaltung im Hinblick auf Aufenthaltsqualität und Entschleunigung erfolgen. Der VCD ruft aus diesem Grund zur Rückeroberung der Straße durch Anwohner auf – damit nicht die Autos, sondern die Menschen im Mittelpunkt stehen.

Wie sehen eure Vorschläge aus, um die Stadt Köln noch lebenswerter zu gestalten? Und wie beurteilt ihr die folgenden Punkte …

 

  • Umstrukturierung der Kölner Innenstadt – welche Aspekte liegen euch besonders am Herzen?
  • Mehr Fußgängerzonen, weniger Parkplätze – ein Schritt in die richtige Richtung, oder eine Katastrophe angesichts der ohnehin schon schwierigen Verkehrssituation?
  • Thema "Luftqualität" – wären autofreie Tage auch in Köln sinnvoll? Wenn ja, in welcher Frequenz?
  • Stellplätze für Fahrräder am Gehwegrand – einzige Möglichkeit oder störendes Hindernis?
  • Thema "Barrierefreiheit": Ist Köln eine rollstuhl- und rollatorfreundliche Stadt? Wo wünscht ihr euch Verbesserungsmaßnahmen? Und an welchen Orten bleibt ihr täglich mit dem Kinderwagen stecken? Schickt uns gerne Fotos dieser Stellen!
  • Welche Regelungen wünscht ihr euch für das Fahren mit Inline-Skates und Skate- bzw. Wave- oder Longboards in der Stadt?

 

Bitte beachtet: Diese Diskussion ist nicht dazu gedacht, einen Schlagabtausch zwischen verschiedenen Interessengruppen anzuheizen. Vielmehr suchen wir nach möglichst vielen unterschiedlichen Standpunkten, konstruktiven Auseinandersetzungen und nach neuen Vorschlägen! Jeder Einzelne von uns, der am Straßenverkehr teilnimmt, nimmt Einfluss auf unsere Mobilitätskultur – und so können wir alle einen Teil zu gegenseitiger Rücksichtnahme und offener Mitgestaltung leisten. Wir freuen uns auf eure Anregungen!

 

Schau doch auch mal hier … 

Dossier des VCD zur "Rückeroberung der Stadt" mit Praxis-Beispielen als Anregung

Artikel "PARIS UND MADRID PLANEN STARKE RESTRIKTIONEN FÜR DEN AUTOVERKEHR IN DEN INNENSTÄDTEN", Martin Randelhoff für ZUKUNFT MOBILITÄT, 21.03.2016 

 

(1) Wikipedia-Eintrag "La Paz traffic zebras"

(2) Artikel "Erstmals Fahrverbot nach Smog über Madrid", Hans-Christian Rössler für die FAZ, 29.12.2016

(3) Artikel "Urbaner Lebensraum für Menschen statt Autos", Tanja Haiden für Bike Citizens, 22.06.2016

(4) Artikel "Paris führt autofreie Sonntage auf den Champs-Elysées ein" auf deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, 10.05.2016

(5) Wikipedia-Einträge "Milan Area C" und "London congestion charge"

(6) Artikel "Oslo: Zentrum soll bis 2019 autofrei werden" auf klimaretter.info, 20.10.2015

(7) Mitteilung der Stadt Köln auf ihrer Homepage

(8) "Köln mobil 2025", Stadt Köln, 2014, S.22f.

(9) RHEIN-SCHIENE Nr.58, S.26