Von Wert und Wertschätzung

Die Centennial Light Glühbirne in den USA ist vermutlich die einzige Lampe der Welt, die eine eigene Homepage hat - inklusive Live-Webcam-Übertragung. Grund dafür ist nicht etwa der Spleen eines technikbegeisterten Amerikaners, sondern die Tatsache, dass diese Glühlampe seit 1901 nahezu ohne Unterbrechung leuchtet. Sie gilt daher oft als strahlendes Beispiel für Produktplanung mit hohem Qualitätsanspruch – und als Gegenbeispiel für die „geplante Obsoleszenz“.

 

Geplante Obsoleszenz – was genau ist das?

Der Begriff „Obsoleszenz“ meint zunächst einmal die Veraltung eines Produkts, welches unbrauchbar geworden ist und ersetzt werden muss. Von „geplanter Obsoleszenz“ ist die Rede, wenn die Lebensdauer eines Artikels bereits im Herstellungsprozess gezielt verkürzt wird und er dadurch nicht so lange genutzt werden kann, wie es eigentlich der Fall wäre.

Waren, die oft in diesem Kontext angeführt werden, sind Fernsehgeräte, Smartphones, Notebooks, Drucker sowie größere und kleinere Haushaltsgeräte; etwa Waschmaschinen oder elektronische Zahnbürsten.

Das Umweltbundesamt hat im Februar 2016 eine umfassende Studie veröffentlicht, welche die Nutzungsdauer ausgewählter Elektrogeräte im Hinblick auf eine mögliche geplante Obsoleszenz untersucht hat. Die Auswertung ergab, dass eine Manipulation durch gezielt eingebaute Schwachstellen in keinem der Fälle nachgewiesen werden konnte; erkennbar war jedoch, dass bestimmte Bauteile mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ausfallen als andere.

Zudem wurden in der Studie Vergleichsrechnungen zwischen kurz- und langlebigen Elektronikgeräten durchgeführt. Das Ergebnis zeigte, dass die langlebigen Produkte nicht nur eine durchweg bessere Energie- und CO2-Bilanz haben, sondern bei entsprechend längerer Nutzungsdauer auch kostengünstiger sind.(1)

Natürlich sind viele qualitativ hochwertige Produkte in ihrer Anschaffung zunächst teurer. Doch wir kennen vermutlich alle das Ärgernis, wenn der Deckel der Schnäppchen-Brotbox nach dem Spülen nicht mehr richtig schließt, oder das Muster des Drei-Euro-Shirts abblättert. Beim nächsten Einkauf muss deshalb Ersatz her – und wir bestätigen das Sprichwort

„Wer billig kauft, kauft doppelt“.

Zugegebenermaßen ist es in unserer heutigen Einkaufswelt gar nicht so leicht, sich diesem Phänomen zu entziehen. Hersteller verschiedenster Bereiche unterbieten sich gegenseitig mit den Preisen, und ständig erscheinen Neuheiten auf dem Markt, die versprechen, besser und angesagter zu sein. Experten sprechen daher auch von einer „psychischen Obsoleszenz“: Wir haben das Gefühl, ein Produkt sei nicht mehr zeitgemäß und ersetzen es deshalb – obwohl es eigentlich noch funktionsfähig ist.

Der eindrucksvollste Konsumbereich hierfür ist vielleicht die Modewelt. Weihnachten ist noch nicht ganz vorbei, da lesen wir bereits etwas über die Trendfarben des Sommers und bemerken nebenbei, dass wir – trotz eines vollen Kleiderschranks – nichts Passendes für die Silvesterparty haben.

Durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke kaufen wir jährlich (2) – und dabei tragen wir jedes fünfte Kleidungsstück in unserem Schrank nahezu nie.(3) Ganze Bücher widmen sich mittlerweile dem Phänomen des Ausmistens… warum probieren wir also nicht mal, das Problem dort in Angriff zu nehmen, wo es entsteht: an der Ladenkasse?!

Bereits ein kurzes Innehalten und die Frage, ob ich ein Kleidungsstück wirklich brauche, können das Tempo aus einem überstürzten Kauf nehmen. Warum lasse ich den Artikel nicht einfach zurücklegen und überdenke die Entscheidung nochmal? Auch die umgekehrte Fragestellung kann hilfreich sein: Werde ich es in einer Woche bereuen, wenn ich dieses Oberteil jetzt nicht kaufe?

Der positive Nebeneffekt eines reduzierten Konsumverhaltens besteht zudem darin, dass wir uns mehr über das, was wir bereits besitzen, freuen. Und wir geben weniger Geld aus. Dies könnte wiederum ein Anreiz sein, bei der nächsten Einkaufstour mal bewusst in etwas teurere, qualitativ hochwertige Kleidung zu investieren.

Dadurch zeigen wir gleich eine doppelte Wertschätzung: zum einen werden wir das neue Kleidungsstück bestimmt mit besonderer Bewusstheit tragen. Und zum anderen zeigen wir Respekt für den tatsächlichen Wert, den das Produkt besitzt – schließlich haben wir ja doch ein schlechtes Gewissen, wenn wir mal wieder etwas gekauft haben, von dem wir eigentlich selber wissen, dass es zu günstig war…

Versuchen wir doch also mal, der psychischen Obsoleszenz und der Problematik von Billigkäufen entgegenzuwirken! Und denken an die Centennial Bulb, die seit über 100 Jahren nicht ausgetauscht werden musste – im Gegensatz zu ihrer Webcam übrigens: die musste nämlich schon dreimal ersetzt werden.

 

Schau doch auch mal hier...

Geplante Obsoleszenz: 17 Tipps gegen den gewollten Verschleiß - Artikel auf Utopia.de

Second-Hand-Läden in Köln (wearecity.de)

 

(1) "Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen ‚Obsoleszenz‘", UmweltBundesamt, 2016

(2) "Kleidung unter der Detox-Lupe", Greenpeace e.V., 2013

(3) "Wegwerfware Kleidung", Greenpeace e.V., 2015


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